Susan Philipsz' Interesse liegt in der Erkundung der skulpturalen Werte von Klang sowie dessen psychologischen und emotionalen Auswirkungen. Ihre Sound-Arbeiten sind geprägt von einem intimen Gesang, welcher mehr an die Sängerin selbst als an ein Publikum gerichtet scheint. Neben dem öffentlichen Raum platziert sie diese vermehrt in Galerie- und Museumsräumen, da in solch kontrollierteren Umgebungen Stille und Klang zusammentreffen und eine grössere Wirkung entfalten können.
Die feinfühlige, musikalische Arbeit «From the Beginning», die Philipsz in einem Raum der Kunst Halle präsentiert, strahlt nicht nur in ihrer minimalistischen Präsentation, sondern insbesondere wegen des getragenen, gleichmässigen Gesangs eine nahezu meditative Atmosphäre aus. Durch Lautsprecher erklingen im Loop drei im selben Rhythmus vorgetragene Lieder: die Ballade, die den tragischen Tod von Sergeant Howie ankündigt, dem unschuldigen Protagonisten des Horrorfilm-Klassikers The Wicker Man von Robin Hardy (1973); John Cages repetitive Komposition The Wonderful Widow of Eighteen Springs, welche er 1942 verfasst hat und deren Text von James Joyces Finnegan’s Wake stammt; das letzte Stück - vom Beatles-Album Revolver - schrieb John Lennon, während er Das Tibetische Buch der Toten las, unter dem Einfluss von Timothy Learys Kommentaren in The Psychedelic Experience. Susan Philipsz spannt so ein Netz aus diversen kulturellen Referenzen, um auf subjektive Weise Leben und Tod zu thematisieren. Zwischen den einzelnen Liedern hören wir den Klang eines Vibraphons, das ähnlich einer Uhr oder einem Metronom den Rhythmus vorzugeben scheint und somit zugleich verbindendes und trennendes Element ist. Das gleichmässige Schlagen betont das im Text nahegelegte Thema: das Elegie-ähnliche Gefühl eines Zusammenbruchs, wenn man mit einer Veränderung im Bewusstsein konfrontiert ist.
Repetition – insbesondere durch die Verwendung von Loops – spielt in Philipsz' Arbeit eine zentrale Rolle: Zum einen geht es um die Aneignung von Subjektivität durch das Singen des Immergleichen sowie das Wahrnehmen der eigenen Stimme; Kinder verlieren durch Wiederholung (z.B. von Geschichten, Schlafliedern) ihre Angst vor dem Äusseren und werden zu einem autonomen Subjekt. Zum anderen bewirkt die Repetition aber auch die Identifikation mit der Stimme und dem zu ihr gehörenden imaginären Körper. Dass Philipsz für ihre Arbeiten stets auf bestehende Lieder zurückgreift und ihrer Persönlichkeit anpasst, verstärkt den Gebrauch der Wiederholung zu einer Strategie der Appropriation.
«From the Beginning» erinnert in seinem gemächlichen, beruhigenden und zyklischen Klang an ein Schlaflied, die Evozierung eines Traums, dem man sich von der Wiege bis zum Grab unterwirft; immer und immer wieder.
Auch in Patrick Grafs parallel in der Kunst Halle präsentierten Ausstellung «Mensch zu Sein» steht der Lebenszyklus im Zentrum. Dabei bildet die visuelle Wucht von Grafs spielerischer Installation auf formaler Ebene einen starken Kontrast zu Philipzs minimalistisch präsentierter, meditativer Audioarbeit.
Susan Philipsz (*1965 in Glasgow) lebt und arbeitet in Berlin. Die letzten Einzelausstellungen der Künstlerin fanden in folgenden Institutionen und Galerien statt (Auswahl): Here Comes Everybody, Tanya Bonakdar Gallery, New York; We‘ll All Go Together, Highline, 25th St, New York; Isabella Bortolozzi Galerie, Berlin, Alpine Architecture (mit Monica Sosnowska), Alte Fabrik, Rapperswil; More Than This, Juan Miro Foundation Gardens, Yale Art Gallery, Mallorca (2008); Susan Philipsz, CGAC, Santiago de Compostela; Did I Dream You Dreamed About Me, Mitzuma Art Gallery, Tokyo; Susan Philipsz, Art Statements Basel (2007). Darüber hinaus nahm die Künstlerin zuletzt an folgenden Gruppenausstellungen teil (Auswahl): Unmonumental, The New Museum, New York; Gods and Goods, Villa Manin, Udine; The Sea, The Sea, Folkstone Triennial New Commission, Sydney Biennale; U Turn, Copenhagen Triennale; Mirrors, MARCO – Museo De Arte Contemporáneo de Vigo (2008); Skulptur Projekte Münster 07; For Ree, Marc Foxx Projects, Los Angeles; Madrid Abierto, Madrid; Busan Biennale, Busan (2007).