Der österreichische Künstler Marko Lulic (*1972) nutzt den Fries der Kunst Halle fast wie eine Plakatwand für ein Statement: „Was die Russische Revolution nicht geschafft hat, die Paarbeziehung zu zerstören, wird demnächst den Billigfliegern gelingen!“. Vor einem Hintergrund aus intensiven Farben wie blau, orange, rot, und schwarz wandert diese Feststellung spielerisch in perspektivischer Verzerrung über das 30 Meter lange Band des Frieses. Trotz simpler Gestaltung mit Standard-Schrift und Basis-Farben springt einem der Spruch schier ins Auge. Lulic bedient sich hier geschickt den bewährten Mitteln der zeitgenössischen Werbegrafik. Im Hintergrund scheinen überall farbliche Explosionen stattzufinden – der Künstler stützt sich besonders auf diagonale Formen. Nicht nur die Schrift „fliegt“ scheinbar schwerelos diagonal durch die Farbräume, auch die Farbfelder kreuzen und überschneiden sich überall. Vereinzelt lassen sich noch Ausschnitte von Sternen im Hintergrund ausmachen.
Marko Lulic schafft ein Spannungsfeld zwischen den beiden Referenzpunkten der Arbeit: „Russische Revolution“ und „Fliegen für alle“. Dass letztlich vor allem die Propagandamaschine Werbung mit ihrer Obsession für spannungsfördernde Diagonalen das ästhetische Erbe der russischen Revolution antritt, erscheint auf den ersten Blick erstaunlich. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in der damaligen Sowjetunion bahnbrechende Bildtechniken entwickelt, die auch ganz gezielt in der Propaganda für die kommunistische Utopie zum Einsatz kamen. Ist das Versprechen der Billigflieger, den Traum vom Fliegen für alle erschwinglich werden zu lassen, etwa die Realisierung einer originär kommunistischen Idee? Billigflieger und Russische Revolution bilden hier ein rätselhaftes Paar, das sich einer endgültigen Deutung entzieht.
Der Fries als Schnittstelle der Kunst Halle zwischen Innen und Aussen, zwischen Kunstraum und öffentlichem Stadtraum bildet geradezu einen idealen Ort für Lulics Auseinandersetzung mit Ideologie und Gesellschaft, Wirtschaft und Rhetorik. Als „Schaufenster“ zur Öffentlichkeit in St. Gallen besitzt jede Friesarbeit auch eine plakative Wirkung nach Aussen. Marko Lulic beschäftigt sich seit Mitte der Neunziger Jahre intensiv mit dem Selbstverständnis von Öffentlichkeit und Gesellschaft und arbeitet hauptsächlich mit Text und Architektur. In Jugoslawien und in Österreich aufgewachsen, lernte er sowohl die traditionalistische österreichische Umgebung als auch die sozialistischen Utopien des ehemaligen Jugoslawien kennen.