Die Kunst Halle Sankt Gallen freut sich, die erste institutionelle Einzelausstellung von Gedi Sibony präsentieren zu können. Seine Skulpturen und Installationen zeichnen sich durch eine filigrane Ästhetik aus, die sich durch einen sensiblen und sinnlichen Umgang mit Materialien und Formen charakterisiert. Karton, Holzreste, Teppiche, Plastikhüllen oder Dispersionsfarben werden von ihm in mehrstufigen Verschiebeprozessen präzis in die architektonischen Gegebenheiten des Ausstellungsraums eingebettet. Das Zusammenspiel dieser ‹Materialien ohne Eigenschaften› sowie deren räumliche Positionierung erzeugt fragile Arrangements mit taktilen Qualitäten.
Bereits auf der Lobbybar begrüsst der Künstler das Publikum mit einem ersten Kartonobjekt. Darin eingeklebt sind Ausschnitte der Einladungskarte, die den in St. Gallen wohlbekannten Schokoladenstängel Minor zeigen. Auf Englisch bedeutet ‹minor› soviel wie geringfügig oder unbedeutend. Dies ist nicht nur ein schönes Wortspiel, sondern eine Ankündigung dessen, was im hinteren Teil der Lobby zu sehen ist und was in den Ausstellungsräumen auf den Besucher wartet. Ein feines Spiel mit unscheinbaren Materialien, Licht und Situationen.
Die in grosszügiger Weise platzierten Arbeiten wirken in der weitläufigen Halle beinahe etwas verloren. Die fünf weissen Sockel gleich links neben dem Eingang waren bereits im Raum vorhanden, als Gedi Sibony seine Materialien aus dem Atelier in New York auszupacken begann. Sie stammen aus der vorausgehenden Ausstellung und wurden durch Sibony für «If Surrounded by Foxes» – wie eine ‹Installation trouvée› – übernommen. Am Fenster links hängt ein Plastikschutz, auf dem viereckige Formen erkennbar sind. Diese Formen stellen Spuren des letzten Umbaus dar und zeigen die Umrisse der Sockel. Der Bilderrahmen ohne Bild stellt im Ensemble mit den Sockeln eine museale Situation dar, in der Sockel und Bild, beide ohne ein entsprechendes Objekt, blind sozusagen, den Betrachter zu Spekulationen verführen, was auf oder in den Trägern einmal vorhanden war.
Es sind diese Andeutungen, welche die Arbeit Sibonys auszeichnen, die zu einer Spurensuche einladen, in deren Verlauf sich eine offene Narration entwickelt. Der Betrachter wird immer wieder aufgefordert, auf den ersten Blick unscheinbaren Zeichen nachzugehen und den Raum und die Objekte selbst in ihren Eigenschaften zu hinterfragen. So auch die Kartonplatte rechts an der Wand. Der untere Teil ist dunkel verfärbt. Sibony hatte diese Platte in seinem Atelier längere Zeit unter einem Tisch gelagert, sodass nur ein Teil des Lichts auf die gesamte Fläche fiel. Das Ergebnis ist ein Lichtabdruck, der sich im Karton eingeschrieben hat.
Die Bedeutung von Licht im Werkkomplex sowie dessen Umgang mit der Ausstellungssituation wird im mittleren Raum besonders deutlich. Das von den beiden anderen Räumen einfallende Neonlicht wirft geometrische Formen auf die Wand beim Notausgang. Die zwei Lochbretter am Fenster, die übereinander gelegt sind, lassen bei der Begehung und genauer Betrachtung Kreise entstehen, deren Formen einem wieder auf der Holztafel begegnen. Folgt man der unverbrauchten Plastikabdeckung in den dritten Raum, wird Sibonys Arbeit mit der Wahrnehmung von Architektur und deren Elementen, welche diese zugleich ausmachen und definieren, deutlich. Rechts oben ist ein Heizungsrohr zu sehen, das ein Pendant in einem frei schwebenden Rohr-Äquilibrium gefunden hat. Darunter steht in prekärem Gleichgewicht eine weisse Türe, die sich aber nicht öffnen lässt, weil an ihr die Klinke fehlt. Auf der gegenüberliegenden Wand sind ähnlich unsichtbarer Schatten Streifen weisser Lackfarbe zu erkennen. Dieses Zusammenspiel unterschiedlicher Andeutungen und Formen verändert den Raum insofern, als dass es eine neue Lesbarkeit produziert, gleichzeitig aber für eine neue Bedeutung verschlossen bleibt. Ohne Botschaften vermitteln zu wollen oder Inhalte zu formulieren, gelingt es Sibony, die vorgefundene Situation massgeblich zu verändern.
Sibonys ‹räumliche Collagen› oszillieren zwischen objekthafter Erscheinung und installativen Ensembles. Man kann sie als eine Kunst der leisen Töne bezeichnen, der aber durchaus spektakuläre Höhepunkte innewohnen. Er vermeidet es jedoch, eine Engführung von Aussagen hervorzurufen, oder eine simplifizierende Lesart des Vorgefundenen bereitzustellen. Vielmehr werden durch das Kombinieren von Materialien und den syntaktischen Markierungen Mehrdeutigkeiten provoziert, die jenseits der Möglichkeit liegen, verbalisiert zu werden. Die Werke fördern somit eine exakte Betrachtungsweise, ein Hinterfragen der Wahrnehmung, Langsamkeit, und bringen selbst die Vorstellung der Kunst, mit der wir in die Ausstellungsräume eingetreten sind, ins Schwanken. Aus dem Geringfügigen und Unscheinbaren ergibt sich eine neue Komplexität.
«If Surrounded by Foxes» versteht sich jedoch nicht als eine künstlerische Haltung oder Geste hinsichtlich des Raums. Vielmehr formulieren Sibonys Werke Lücken und Dehnungen, erzeugen Irritation. In diesem Moment des Kippens, der durch die Klarheit der Form und der gleichzeitigen Ungewissheit des Betrachterstandpunkts hervorgerufen wird, liegt seine Stärke. Er schafft es, die Labilität des Gleichgewichts sichtbar zu machen und magisch festzuhalten.
Das kunstpädagogische Programm wird durch die Ria & Arthur Dietschweller Stiftung, St. Gallen gefördert.