Peter Regli vereint in seiner künstlerischen Praxis grosse Gesten mit poetischen Ansätzen. Bekannt geworden durch seine temporären Interventionen im öffentlichen Raum unter dem Label Reality Hackingverwendet er sowohl die Landschaft als auch alltägliche Objekte, um herkömmliche Konzepte von Realität auf den Kopf zu stellen. Scharfe Beobachtungsgabe und verblüffender Witz charakterisieren seine Plastiken, Fotografien und räumlichen Installationen.
Vermehrt hat sich Peter Regli in den letzten Jahren auch für den musealen Kontext als Heimat für die Kunst interessiert. Nach seinen Einzelpräsentationen im Helmhaus Zürich (2007) und im Bellpark Kriens (2010) realisiert der Urner Künstler mit amerikanischem Pass in der Kunst Halle Sankt Gallen eine Ausstellung, die sich explizit mit den Vereinigten Staaten auseinandersetzt. Diese Nation weckt neben den unterschiedlichsten Assoziationen – von Freiheitstraum über Wilder Westen bis imperialistische Weltmacht – wie keine andere Sehnsucht, Ohnmacht und Rage gleichermassen und fungiert hier als konzeptuelle, ästhetische und emotionale Vorlage.
Auf hintergründige und spielerische Weise beschäftigt sich Regli in «White Horse Dream» mit US-Symbolen wie der amerikanischen Flagge, der Dollarnote oder dem Cowboyfilm und berührt damit Themen wie Patriotismus, Kapitalismus oder Moralvorstellungen. Dabei wagt er die zweifache Gratwanderung, sich weder Klischees zu bedienen, noch eine Wertung abzugeben.
Emblematisch für die Vielschichtig- und Widersprüchlichkeit US-Amerikas ist die neue Videoarbeit RH_No_289, 2011 (Searching Riders), in der die ganze thematische Spannbreite der Ausstellung sichtbar wird: Regli überlagerte den Western-Klassiker The Searchers (1956), in dem einmal mehr das Gute über das Böse siegt und der als Symbolfilm der konservativen McCarthy-Ära gilt, und den New-Hollywood-Kultfilm Easy Rider (1969), der einerseits den Mythos des Landes der unendlichen Möglichkeiten und grenzenlosen Freiheit dekonstruierte, gleichzeitig aber doch den Glauben daran aufrecht erhielt.
Verfremdung und Irritation ziehen sich weiter durch «White Horse Dream»: Was befindet sich in der ominösen, länglichen Kiste, die ausser Reichweite unter der Decke des Ausstellungsraums auf einer Planke liegt? Diese wird nicht nur zum Objekt der Begierde, sondern gleichzeitig zum Ausgangspunkt für Spekulationen und spricht damit ein allgegenwärtiges Thema der USA an: Verschwörungstheorien. Mysteriös ist auch der an eine Säule gekettete Stein: welche irrationalen Ängste und Projektionen waren Auslöser, ihn in Ketten zu legen?
Mit den für die Kunst Halle neu produzierten Arbeiten und Fundstücken aus seinem frühen Schaffen zeichnet Peter Regli ein Bild von Amerika, das trotz Wildwest-Ästhetik und fiktionalen Elementen die Realitätsnähe nie verliert und der Dringlichkeit der Aktualität nachgeht. Ob ihm dabei die erwähnte doppelte Gratwanderung gelingt, wird die Gemüter spalten und «White Horse Dream» zu einer polarisierenden Ausstellung machen.
Eröffnung: Fr, 28. Okt., 18 Uhr
Öffentliche Führungen: Di, 1. Nov. 18 Uhr und So, 18. Dez., 15 Uhr
Kunst über Mittag: Do, 1. Dez., 12 Uhr
Peter Regli (*1959, Andermatt, lebt in Zürich) studierte an der Zürcher Hochschule der Künste. Einzelausstellungen fanden u.a. in folgenden Institutionen und Galerien statt: Museum Bellpark, Kriens (CH); Katz Contemporary, Zürich; CAN, Neuchâtel (CH) (2010); Helmhaus Zürich (2007); Blank Projects, Cape Town (Südafrika) (2006); Centre d’art contemporain, Genf; Kunsthalle Winterthur (2003). Des weiteren war er an diversen Gruppenausstellungen beteiligt, darunter: Utopics, 11. Schweizerische Plastikausstellung, Biel (2009); Nanjing Triennale (CN) (2008); Le Crédac, Ivry S/Seine (F) (2007); Kunsthaus Zürich (2006); Museo de Arte Contemporáneo, Santiago de Chile; Kunsthalle Zürich; Künstlerhaus Dortmund (D) (2005); Centre Culturel Suisse, Paris (2003); Museum of Modern Art, New York (2002).
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