In seinen farbigen, wilden Gemälden, Zeichnungen, Texten und Objekten schafft Patrick Graf neue Welten voller Phantasie und (schwarzem) Humor. Mit «Mensch zu Sein» lädt er uns in eine für die Kunst Halle entworfene raumfüllende Installation ein, in der man von der Geburt bis hin zum Tod ein ganzes Leben im Zeitraffer durchschreitet. Das Dasein begegnet uns als Spiel: zum Weiterkommen sind Punkte zu sammeln und bestimmte Entscheidungen können nicht selbst getroffen werden. Aus der wohlig warmen Plazenta schreitet der Besucher in die Welt - drei Durchgänge stehen ihm dabei zur Verfügung, doch weiss er nicht, was für ein Leben sich hinter diesen verbirgt. Der Zufall entscheidet, ob man arm, reich, oder zum Mittelstand gehörend geboren wird. Die ersten Ansprüche werden im nächsten prägenden Abschnitt des Heranwachsens an uns gestellt: In der Schule gilt es, Wissen zu sammeln und Aufgaben zu bewältigen. Bereits jetzt erhaschen wir Blicke auf das Erwachsenenleben, doch wir sind nur Zaungäste, die erst weitere Stationen des Lebens passieren müssen, bevor wir am Spiel der Grossen teilnehmen dürfen. Während der Jugend beschäftigen uns Fragen zur eigenen Identität, gleichzeitig steht die Berufswahl an: macht man eine KV-Lehre, serviert man Döner, arbeitet man in der UBS, als Pfarrer oder als Landwirt? In einem dieser Berufe bewegt sich die Besucherin über den Marktplatz der Ausstellung, Sinnbild für die Mitte des Lebens und das Erwachsensein, welches massgeblich durch unsere berufliche Tätigkeit geprägt ist. Um seiner Funktion gerecht zu werden und im Leben weiterzukommen, müssen erneut Aufgaben erfüllt und Punkte gesammelt bzw. Geld verdient werden. Es gibt durchaus auch die Möglichkeit, dieses Geld in der Ausstellung wieder auszugeben, indem man eine HipHop-CD des Künstlers oder gar eines seiner Kunstwerke erwirbt. Es kann auch geheiratet werden - vorausgesetzt die Funktion des Pfarrers wird von jemandem übernommen. Dem Besucher kommt also eine tragende Rolle im Funktionieren der Installation zu. Die letzte Lebensstation ist das Altersheim, von dem aus wir nunmehr auf wackeligen Beinen dem Tod entgegen gehen.
In seiner hauptsächlich aus Karton gebauten Lebens-Installation spielt Patrick Graf mit Stereotypen, die wir vom Leben, von Menschen und Berufsgruppen haben und führt uns die Grenzen unserer Gestaltungsfreiheit vor Augen. Während der Ausstellung wird der Künstler meist anwesend sein, gibt Ratschläge sowie Spielanleitungen und nutzt einen Teil der Ausstellungsräume als Atelier, um weiter an «Mensch zu Sein» zu arbeiten. Die Installation wird folglich stetig wachsen und zunehmend an für Patrick Graf charakteristischer Detailgenauigkeit gewinnen.
Auch in Susan Philipsz' parallel in der Kunst Halle präsentierten Ausstellung «From the Beginnung» steht der Lebenszyklus im Zentrum. Dabei bildet die visuelle Wucht von Grafs spielerischer Installation auf formaler Ebene einen starken Kontrast zu deren minimalistisch präsentierter, meditativer Audioarbeit.
Patrick Graf (*1981) lebt und arbeitet in Zürich. 2008 schloss er sein Studium an der Zürcher Hochschule der Künste mit einem Master of Fine Arts ab. In der Galerie HAAS & FISCHER waren bisher zwei Einzelausstellungen zu sehen: The Ypsilonia Age (2008) und Der soziale Aufstieg (2009). Ausserdem war der Künstler an folgenden Gruppenausstellungen beteiligt: The Living Room, HAAS & FISCHER, Zürich (2009/2010); Kunst Zürich; Mahlzeit, Cabaret Voltaire, Zürich (2008); Conrad / Graf, Neustadtgasse 21 Raum für Zeitgenössische Kunst, Winterthur; Festival der Künste, Hochschule für Gestaltung, Zürich (2007); 20 Jahre Bildende Kunst, Kunsthalle Zürich; Vera Icon, The Bad Gallery, Zürich (2006). Des Weiteren ist 2008 die Publikation Episoden aus dem Ypsilon’schen Zeitalter (Edition Patrick Frey) erschienen.