«Heimspiel» hat sich als vielbeachtete Plattform für das regionale Kunstschaffen aus den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und dem Fürstentum Liechtenstein etabliert und strahlt inzwischen weit über die Region hinaus. Im Kunstmuseum und in der Kunst Halle Sankt Gallen widerspiegelt die dritte Edition dieser Ausstellung durch die Arbeiten von 51 Künstlern und Künstlerinnen das zeitgenössische Schaffen in der Region. Wir freuen uns, in der Kunst Halle Sankt Gallen die Werke von folgenden KünstlerInnen zu zeigen:
Marianne Rinderknecht (*1967), lebt in St. Gallen.
In ihren Arbeiten mischen sich organische Elemente mit ornamentalen Formen, Abstraktion und Figuration. Dabei ergibt sich ein kontrastreiches Zusammenspiel von kräftigen Farben und reduzierten Formen. Die Wandmalerei Ohne Titel – gelb-rosa Wolke (2009), die aus dem Boden des Foyers der Kunst Halle zu wachsen scheint, spielt bewusst mit den Eigenschaften des Raumes, sodass die „Wolke“ Dreidimensionalität gewinnt.
Costa Vece (*1969), lebt in Zürich & Berlin.
Neben der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Heimat und Zugehörigkeit beschäftigt sich der in Appenzell aufgewachsene Sohn von Immigranten mit unserer heutigen urbanen Kultur und schafft Gegenwartsreliquien mit gesellschaftspolitischem Hintergrund. Sein Bread Head (2009) (dt. Brotkopf)evoziert Assoziationen zu Fasnachtsmasken und Schrumpfköpfen, also stark verwurzelten Gesellschaftsritualen. In Hundreds, thousands of woolly thoughts with deep sorrow and racked with pain (2009)zeigt Vece eine aus Nikotin-Kaugummis modellierte Golem-artige Figur auf einem unwahrscheinlichen Möbelstück, ein „Objet Trouvé“ aus dem Brockenhaus. Die Arbeit weckt gleichzeitig Kindheitserinnerungen und verweist auf den aktuellen Versuch des Künstlers, sich das Rauchen abzugewöhnen; beides Lebensphasen der Selbstüberwindung, Entbehrung und Unsicherheit.
Francisco Sierra (*1977), lebt in St-Légier-La Chiésaz und Bern.
Sierras Gemälde, für die der Künstler auf Techniken der alten Meister zurückgreift (z.B. Ölfarbe auf Holz), entstehen in langen, aufwändigen Prozessen und machen die Malerei selbst als klassische Kunstform zum Thema. In den beiden hyperrealistischen Gemälden Le coq est mort (2009) und Melone mit Messer (2009), für die frühe Farbfotografien als Vorlage gedient haben, wird eine zweite künstlerische Technik, die Fotografie, und damit die uralte Problematik der Mimesis, thematisiert.
Othmar Eder (*1955), lebt in Stettfurt.
Die fotorealistischen Zeichnungen des in Österreich geborenen Künstlers entstehen in einem sorgfältigen und langwierigen Prozess. Auch inhaltlich spielt die zeitliche Dimension eine wesentliche Rolle: Fundstücke von Spaziergängen und Wanderungen, die häufig einen persönlichen Erinnerungswert aufweisen, bewahrt er durch das Zeichnen vor dem Vergessen. In der Kunst Halle zeigt Eder die Arbeit Schildkröte (2009).
Gilgi Guggenheim (*1973), lebt in St. Gallen.
In Gilah (2008) und Vierzehn Löwenzähne in einem Glas (2009)spielt das (Gegen)licht eine wichtige Rolle. Letzteres Werk nimmt Bezug auf Van Goghs Vierzehn Sonnenblumen in einer Vase, womit sich die Künstlerin an den Meister der Malerei wagt. Gerhard Richter und Franz Gertsch können als weitere Referenzen genannt werden.
Andres Lutz & Anders Guggisberg (*1968 / *1966), leben in Zürich.
Das Künstlerpaar arbeitet seit 1996 zusammen und hat mit materiell ausufernden Installationen, skurrilen Skulpturen und lustigen Objekten Bekanntheit erlangt. In der Kunst Halle zeigen sie eine Serie von Fotolithographien aus dem gleichnamigen Buch Eindrücke aus dem Landesinneren (2008). Die visuelle Recherche ist ein Versuch, das Wesen eines Landes geographisch, kulturell und sozial zu erfassen. Die Bilder zeigen das Gewöhnliche und wirken vertraut. Doch welches Land sie darstellen, bleibt ungewiss.
Dagmar Heppner (*1977), lebt in St. Gallen.
Die feinfühligen architektonischen Raumeingriffe der gebürtigen Hamburgerin weisen häufig Referenzen zur Minimal Art und Konzeptkunst der 1960er und 1970er auf. So lässt die Farbe der Arbeit Hörensagen (2008)an Yves Kleins berühmtes „bleu“ denken. Das Zusammenspiel verschiedener Blautöne, die in Heppners Arbeit immer wieder auftauchen, sowie der Einfall des Tageslichts erzeugen irisierende malerische Effekte. Je nach Position und Bewegung im Raum erfährt der Betrachter dank diesem Spiel mit Transparenz und Verschleierung die delikate Skulptur neu.
Christian Vetter (*1970), lebt in Zürich.
Für seine Ölmalerei verwendet Vetter in jüngster Zeit vornehmlich Schwarz und Weiss, die sogenannte Grisaille-Technik. Der Künstler setzt sich folglich strenge formale Vorgaben, innerhalb derer er seinen Ausdruck sucht. Im Bild Gitter/Fence #2 (2009) erreicht Vetter dies, indem er dank eines Wechselspiels zwischen Abstraktion und Figuration sowie zwischen Vor- und Hintergrund räumliche Spannung schafft.
Zora Berweger (*1981), lebt in Leipzig.
Wie die Künstlerin selbst sagt, entstehen ihre Arbeiten aus dem „Nicht-Wissen“ heraus, aus der Stille, und haben ihre Wurzeln im tieferen „Verstehen jenseits des Verstandes“. Ein Gedicht von Berweger zu Prärie (II) (2009), ergänzt den Bildinhalt:
Übersee, wo Himmel auf Erde trifft, / inmitten unzähliger Neutrinos ein Treffen. / Geflechte der Welt, alte Geschichten, / werden gesehen, werden durchwirkt. / Denn so ist der Lauf der Dinge, / damit eine Begegnung möglich wird.
Alexandra Maurer (*1978), lebt in Genf.
Synthesen verschiedener künstlerischer Techniken charakterisieren die Arbeiten der St. Galler Künstlerin, die 2010 den Manor-Kunstpreis erhält. Als „peinture animée“ bezeichnet sie ihre Videoarbeiten, die durch mehrstufige Bearbeitungsprozesse und Montage entstehen und sich letztlich aus Filmstills, übermalten Standbildern und purer Malerei zusammensetzen. Bewegung und Gesten sind im Zentrum des Interesses der Künstlerin, so auch im Video Jump (2009).
Regula Engeler (*1973), lebt in Gais.
Die Künstlerinzeigt hier einen Ausschnitt aus ihrem Zyklus Researches on the strange fields series #1 (2008/2009), an dem sie mit verschiedenen Medien, darunter Video und Fotografie, arbeitet. Im Zentrum stehen physikalische Beobachtungen wie Licht und Schatten, die Zeit, Landschaften und Abstraktionen. Engeler beschreibt den Vorgang ihrer Arbeit als Abtasten der Realität, wobei sie versucht, die Leere zwischen den Dingen zu finden, die Grenze zwischen dem Wirklichen und Unwirklichen. Kosmos und Landschaft tauchen in ihren Bildern nur langsam und schrittweise auf.
Peter Kamm (*1958), lebt in St. Gallen.
André Butzer (*1973), lebt in Ranksdorf bei Berlin.
In einem „internationalen Dialog, im Detail geführt“ präsentieren der Schweizer Bildhauer und der deutsche Maler ein poppiges Thema - die Animation - in zwei traditionellen Gattungen. Der Titel, Tom und Jerry (2009), weist nicht nur auf die Zusammengehörigkeit der Skulptur und des Gemäldes hin, sondern auch auf die zwischen ihnen bestehende Dynamik durch die sich wiederholenden, sich geradezu jagenden Formen. Kamm und Butzer möchten zeigen, „wie Inspiration und die zum Leben erweckten Elemente bildnerischen Schaffens zueinander gefunden haben.“
Kilian Rüthemann (*1979), lebt in Basel.
Rüthemann setzt sich stets mit der gegebenen Situation eines Ausstellungsortes auseinander, untersucht die räumlichen Qualitäten und greift durch präzise Interventionen ins vorhandene Gefüge ein. Für das Heimspiel hat er in der Kunst Halle ein Feuer entfacht, von dem in der Ausstellung nun eine keilförmige Russspur an der Wand zeugt. Ort, Grösse und Brenndauer sowie zu einem Teil die Richtung der Flammen wurden vom Künstler bestimmt, die restliche Gestaltung hat das Feuer übernommen. Durch die Geometrie und eine gewisse Ironie tradiert Rüthemann die Formsprache der Arte Povera in die Gegenwart und arbeitet weiter an einem eigenständigen Skulpturbegriff.
Norbert Möslang (*1952), lebt in St. Gallen.
Seit über 20 Jahren arbeitet der Künstler mit „geknackter“ Alltagselektronik. Für get-pic-video (2009) benutzt er Bilder von Webcams in Davos und Singapur, schleust digitale Fehler ein und reiht sie schliesslich aneinander. Die korrespondierende Tonspur ist durch das Einlesen der Videodateien als Audiodateien entstanden. Das Auffinden verborgener Untergründe elektronischer und visueller Systeme steht dabei im Zentrum der Arbeit.
Susanne Keller (*1980), lebt in Zürich.
Die vielschichtigen Objekte von Susanne Keller stellen eine Miniaturwelt dar, die an eine kleine Theaterbühne oder auch an einen Guckkasten erinnern. Mit Malereien und Fotografien bedruckte Folien sind in verschiedenen Ebenen so montiert, dass aus den Überlagerungseffekten eine starke Tiefenwirkung entsteht. Kunstgeschichtliche Motive aus dem 14. bis 16. Jahrhundert mischen sich mit Darstellungen des Zellgewebes und architektonischen Formen.
Georg Gatsas (*1978), lebt in St. Gallen und New York.
In den Fotografien der Serie Five Points (2007/2008)porträtiert Georg Gatsas den ehemals gleichnamigen New Yorker Stadtteil (heute Chinatown und Bowery), dessen Stimmung und Bewohner. Er nimmt damit unter anderem Bezug auf „How the other half lives“ von Jacob Riis, dessen Fotografien von der Misere des Quartiers die Stadt dazu veranlassten, den Grossteil der Five Points zwischen 1885 and 1895 abzureissen. Die heute bei Kunstschaffenden beliebte Gegend mit Bordellen und Ateliers evoziert das Cliché des Künstlerlebens und ist fernab von neuer Architektur und Geschäftswelt der Downtown. Georg Gatsas lebt an diesem Ort und gibt mit den Fotos in «Schnappschuss-Ästhetik» intime Einblicke in den dortigen Alltag.
Matthias Rüegg (*1968), lebt in Zürich.
Das Geländer (2009) wurde seines ursprünglichen Zwecks im öffentlichen Raum entledigt und durch die pinke Farbgebung entfremdet. Im Kontext des Ausstellungsraumes wird es so auf seine grafischen Formen reduziert. Gleichzeitig beeinflusst und bestimmt es den Parcours des Besuchers. Die Zweckentfremdung macht das Geländer zum skulpturalen Eingriff und gleichzeitig zur Metapher für die Informations- und Kontrollgesellschaft.
Alex Hanimann (*1955), lebt in St. Gallen.
Hanimann ist neben seinen sprach- und textbasierten Arbeiten vor allem für seine Zeichnungen bekannt. Häufig greift er Dinge aus dem Alltag auf, so auch für Block variabel (2007-2009). Die mit Tusche gezeichneten Werke, die aus der Distanz wie (Raster)drucke anmuten, scheinen eine Geschichte zu erzählen, deren Logik und Sinn jedoch verborgen bleibt. Damit schafft Hanimann an seiner enzyklopädischen Bildwelt weiter, die von visuellen Überraschungen und unerwarteten Kombinationen lebt.
Karin Bühler (*1974), lebt in St. Gallen.
Die Künstlerin ist bekannt für ihre Soundinstallationen und Text-Arbeiten, die oft kontextbezogen sind. Die in den Ausstellungsräumen der Kunst Halle und des Kunstmuseums verteilten gelben Post-It-Zettel nehmen direkten Bezug auf die Institutionen und ihre Aktivität. Im Fokus der Arbeit Causa efficiens (2009) stehen Aussagen der Kuratoren beider Häuser über Ideen und deren Entwicklung sowie über den Raum, der ein Kunstwerk mitdefiniert.
Mehr Informationen: www.heimspiel.tv