Der Fries von Annelise Coste ist in siebzehn Doppelsätzen gegliedert, die Gegensätze zum Inhalt haben. Ein „wir“ wird einem „ihr“ oder „du“ entgegen gesetzt:
we are so good
you are so bad
Der Betrachter ist alsbald vor die Entscheidung gestellt, zu welcher Gruppe er sich zählt, zu den „good guys“ oder den „bad guys“, zu den Eingeschlossenen oder Ausgeschlossenen, zum „we“ oder zum „you“. Es ist eine fiktive Gruppenbildung, ein Spiel mit Vorstellung, mit Meinungsmache oder –bildung. Da das englische „we“ ein Plural ist, das „you“ hingegen sowohl als Singular als auch als Plural gelesen werden kann, bricht immer wieder die Frage auf, ob es sich um eine Gruppe handelt, die sich einem Individuum entgegenstellt oder um zwei sich konfrontierende Gruppen von Menschen. Besonders in Konstellationen wie
we are united
you are selfish
entsteht der Eindruck, dass das Soziale das Egoistische in Frage stellt. Allerdings sind die Sätze viel zu offen formuliert - und nur in seltenen Fällen Antipoden -, dass sich ein einzelner Sinn daraus ergäbe. Es sind Konnotationen und Wertungen des Lesers / der Leserin, die ins Spiel kommen und Nuancen, Ausschlüsse und Anschlüsse provozieren.
Die in Frankreich geborene und seit mehreren Jahren in der Schweiz lebende Annelise Coste ist bekannt für ihre unverbrauchten Kommentare des öffentlichen und politischen Lebens. In zahlreichen Karikaturen, Schriftbildern, Collagen und Sprayereien begleitet sie scharfzüngig das Weltgeschehen und vermengt es mit der eigenen Biografie, mit Astronomie und weiteren News und Geschichten.
Als Schriftbild paraphrasiert Annelise Coste Sprayereien im öffentlichen Raum, spielt mit der Öffentlichkeit der Kunst Hallen Lobby. Es sind Zeichen des Strassenraumes, die zum raumfüllenden Fries empor stilisiert werden, zur malerischen Komposition, die an jüngste Entwicklungen in dieser Disziplin anschliesst (Katharina Grosse, Renée Lévy). Dennoch greifen zu jeder Zeit die Sicherheitsleinen des Strassenbezugs. Die Kunst von Annelise Coste ist einem pragmatischen Aktivismus verpflichtet, der versucht, zwischen Konsum und Kapitalismuskritik eine schmale Brücke zu schlagen, zwischen persönlicher Befindlichkeit und Weltgeschehen, und sich dabei bewusst immer ein wenig an der zu grossen Aufgabe stösst.